Abflug Juba/Südsudan. Ankunft Entebbe/Uganda. Nach dem Flughafen im Südsudan ist dieser hier der reinste Luxus. Fahrer Leo vom DAHW-Länderbüro holt uns ab. In der Tat, es gibt hier geteerte Straßen, sogar ganz schön viele. Und auch das Preisniveau ist erheblich niedriger als im Nachbarland. So schön, so gut.
Am nächsten Tag fahren wir mit DAHW-Länderrepräsentant Olaf Hirschmann ins Krankenhaus von Nyenga im Zentrum des Landes. Bis auf das Verkehrschaos in der Hauptstadt Kampala geht es zügig voran. Wenige Schlaglöcher, keine Schlammpisten, was für eine Erholung. Der Empfang der Franziskanerschwestern ist überaus herzlich.
Der Traum vom eigenen Restaurant
Die Ordensschwestern vom St. Francis-Krankenhaus sind stolz. Sie können auf eine über 80-jährige Erfolgsgeschichte ihres Krankenhauses zurückblicken. Alles begann mit der irischen Nonne Mary Kevin Kearney, die an der Stelle des heutigen Krankenhauses eine Zuflucht für Leprakranke errichtete. In den Hütten lebten damals die Kranken bis sie starben und wurden – so gut es ging – versorgt. Medikamente zur Behandlung gab es kaum, zumindest nicht in einem Land wie Uganda.
Nach vielen Gesprächen mit Ärzten, Pflegern und Patienten bleibt mir eine Geschichte besonders in Erinnerung. Die von Prossy, einer jungen Leprapatientin. Noch neun Monate muss sie im Krankenhaus bleiben. Erst dann wird sie geheilt sein. Die junge Frau hat Zukunftspläne. Am liebsten würde sie ein kleines Restaurant eröffnen. Dann könnte sie jeden Tag das traditionelle Gericht Pilau kochen, wie sie es schon jetzt für die Patienten tut und sich ein kleines Einkommen verdient. „Viele sagen, mein Pilau ist das Beste, was sie je gegessen haben.“ Prossy lacht. Ihre kleine Tochter hängt an ihrem Rockzipfel, während sie den Inhalt des Topfes rührt. Schon jetzt stehen ihre Kunden Schlange.
Vom Erfolg eines eigenen Restaurants ist Prossy überzeugt. Denn kochen kann sie.
Nach einem rührenden Abschied mit großartigem Geschenk – einem Hut aus leichter Baumrinde und ein traditionelles Musikinstrument – fahren wir ins Hotel und fallen bald in tiefen Schlaf.
Ein wahrer Meister
Am nächsten Tag besuchen wir das Krankenhaus in Buluba, rund eine Stunde Fahrzeit entfernt. Hier treffen wir auf Dr. Joseph Kawuma, der für die DAHW als medizinischer Berater in Uganda arbeitet. Er ist einer der bekanntesten Lepra-Spezialisten des Landes. Gerade ist er von einer Konferenz in Brüssel zurückgekommen. Er ist viel unterwegs, doch versucht bei den Aufenthalten in der Heimat so viele seiner Patienten wie möglich zu sehen. Als Berater für die Weltgesundheitsorganisation hat er sich auch international einen Ruf gemacht. Heute ist er auf Stippvisite nach Buluba gekommen, um dem dortigen Krankenhaus einen Besuch abzustatten. Es sind auch Erinnerungen, die ihn immer wieder gerne herkommen lassen. Denn einst, als junger Arzt, hat er den klinischen Teil geleitet.
Unser Weg führt uns auch zu Lawrence Angatei, der eine Institution in Buluba ist. Jeder kennt ihn und die Leprapatienten bewundern ihn. Denn er verschafft ihnen Mobilität und Schmerzminderung. Der Mittfünfziger macht orthopädische Schuhe und Beinprothesen für Leprapatienten. Und darin ist er ein wahrer Meister.
Lawrence selbst nennt es einen Ruf, den er in frühen Jahren von Gott bekommen hätte. Er spürte, seine Bestimmung sei, für Leprakranke da zu sein. Gerade hatte er die Schule abgeschlossen. „Ich ging bei den Missionaren zur Schule und war schon als kleiner Junge sehr katholisch geprägt“, erinnert er sich. „Ich sah die nackten Füße der Kranken und wusste, was ich wollte.“
Lawrence lebt seinen Beruf und er beeindruckt mit seinem Fachwissen. Neben dem Orthopädie-Schuhmeister haben wir viele andere kennengelernt – Patienten und Gesundheitspersonal gleichermaßen. Es wird ein langer Tag mit vielen Gesprächen und zahlreichen Fotos, denn wenn man die Menschen vorher fragt und auf unseren Besuch vorbereitet, lassen sie sich gerne fotografieren.
Begegnungen, die bleiben
Gemeinsam mit DAHW-Repräsentanten Olaf Hirschmann fahren wir den ganzen Tag hinunter in den Südwesten des Landes. Feuchte Nebelschwaden legen sich über das Kagando-Krankenhaus im Südwesten Ugandas. Es wird auch von der DAHW unterstützt. Die Grenze zum Kongo ist nur ein paar Kilometer entfernt, und in der Ferne ragen die Rwenzori-Berge in die Höhe. Die Gipfel sind in dichten Nebel getaucht. Dort leben sie, die berühmten Berggorillas. Für Touristen gehört diese Region zu den interessantesten des Landes.
Die Woche vergeht wie im Flug, und plötzlich sitzen wir wieder im Flugzeug nach Deutschland, dem Herbst entgegen. Waren wir nun Tage oder Monate in Afrika? Das Zeitgefühl geht so leicht abhanden in diesen Ländern mit all ihren Geschichten und Schicksalen. Ich erinnere mich an Schwester Veronika, an den Leprapatienten Sebestino, oder an den kleinen Vicent, dessen Gesicht von der Lepra entstellt ist. Und einmal mehr bin ich zuversichtlich. Denn es gibt Menschen, die helfen wollen und helfen können. Und genau die werden von denen gebraucht, die entweder längst aufgegeben oder vergessen wurden.
Fotos: Enric Boixadós