Rechtfertigung einer letzten Neuanschaffung oder Bekenntnisse eines Füller-Junkies
Von Gastautorin Anne Henrich
Meinen alten Fujitsu Siemens Laptop habe ich in Äthiopien gelassen, nachdem die Festplatte endgültig ihren Geist aufgegeben hatte. Außer, dass es mich unglaublich genervt hat, dass das Ende der Festplatte so überraschend kam, habe ich dem Gehäuse keine Träne nachgeweint. Ein Kollege nahm sich des Gehäuses an und konnte mit entsprechenden Transplantationen der Innereien das Gerät noch weiterverwenden.
Inzwischen steht das Lenovo-Nachfolgemodell kurz vor seinem Harakiri. Ich fühle das. In letzter Zeit startet er immer langsamer und kann manche Aktionen gar nicht mehr zu Ende bringen. Ich warte ergeben ab, bis es auch bei ihm soweit sein wird. Dann brauche ich wieder einen netten Kollegen, dem ich meinen Intimschrott anvertrauen kann. Weil: Wegwerfen geht zum Einen aus ökologischen Gründen nicht, zum Anderen: was weiss denn ich, ob nicht irgendein technisch versierter Voyeur sich ausgerechnet an meinem alten Lenovo vergeht und alles was man gemeinhin als „sensibel“ und „gläsern“ bezeichnet – zerdeppert, enthüllt und zerbricht?!?
Nein, nein, da bleib ich lieber bei dem Kollegen (den es noch auszuspähen gilt).
Warum ich das eigentlich schreibe?
Es gibt eine wärmere Seite, eine analogere, eine, wo ich sehr sensibel, ja geradezu zartfühlend werde und ALLES tun würde, um mein Schreibgerät zu kurieren, zu reparieren oder (im schlimmsten Falle, da es eine Trennung auf Zeit wäre!) einzuschicken. Niemals würde ich es unsachkundigen Händen anvertrauen, ja es zeigt sich gerade darin WER mir nahesteht und es in die Hand nehmen darf – bevor es jetzt unanständig wird:
Es geht um meine Sammlung an Füllern, die zwar noch verschwindend klein ist, aber bereits so bezaubernd, dass sie – anders als ein grün-silber-schwarz strukturiertes Etwas aus Platinen und Dingen, deren Namen ich nicht weiß, mir über Jahre ans Herz gewachsen ist.

Von links nach rechts: Montblanc, Waterman, Faber Castell, Visconti.
Es gibt Füller, wie meinen Waterman hemisphere, die mich seit Beginn des Studiums begleiten, und solche wie den Visconti Homo Sapiens, die mein Herz im Sturm erobert haben (sehr zu Lasten meines Geldbeutels – bringt es solch ein Gerät doch fast schon auf den Preis eines dieser kurzlebigen elektronischen Laptops).
Was ihnen allen gemeinsam ist: Sie machen mir Freude – allein schon ihre Gestalt ist eine manifeste Einladung sich einzureihen in die gedachten und realen Gestalten der Schreibzunft und sich der Imagination hinzugeben, diese Reihe ein kleines bisschen fortzuführen (naja – mehr oder weniger, aber immerhin …). Albert Einstein hatte sowohl einen Waterman 22, als auch einen Pelikan 100 N. Bestimmt lag es an den Füllern, dass er auf die Formel kam. Mich hat der Waterman ja auch immerhin durchs Studium gebracht.
James Bond benutzt in „Octopussy“ einen 146 Le grand solitaire Montblanc-Füller, um die Welt zu retten. Mit einem Parker Duofold und einem Parker 51 wurde angeblich am 7. Mai 1945 der Friedensvertrag unterzeichnet. Irgendwie fehlen solche Assoziationen bei Laptops. Es wäre natürlich – völlig unabhängig vom Schreibgerät – trotzdem wunderbar, wenn Friedensverträge – ob nun mit Füller oder mit Laptop – unterzeichnet würden.
Aber eigentlich ist dieser Text ja gewissermaßen als Besänftigung meines schlechten Gewissens gedacht, und ich wollte der Frage nachgehen, ob sich ein kleines Vermögen lohnt, um sich einen Visconti Homo Sapiens Bronze in Oversize anzuschaffen. Man kann ja schließlich mitnichten mit ihm ins Internet, Bilder speichern oder Filme gucken.
Und trotzdem habe ich ihn mir angeschafft – als die Konstellation von Geldbeutelinhalt und Angebot günstig stand. Regulär liegt der Preis für dieses Modell bei ca. 600 Euro; ich habe meinen neu über Ebay bezogen, für Zweidrittel des Preises. Mich sprach das Material sowohl visuell, als auch haptisch an – wer dieses Modell einmal in der Hand gehalten hat, weiß wovon ich rede.
Das Material ist leicht porös und saugstark – das heißt, Tinte sollte nach dem Auftanken schnell abgewischt werden. Trotzdem fühlt sich die Oberfläche warm wie Hartgummi an. Visconti weist auf seiner Homepage darauf hin, dass sich der dunkelgraue Ton aufhellen kann, ist der Füller über längere Zeit dem Licht ausgesetzt. Ich habe davon noch nichts bemerkt und schreibe nicht immer nachts. Die umlaufenden Bronzeelemente hingegen, die laufen relativ schnell an.
Als ich den Füller aus seiner Plastikschachtel befreite (warum muss Visconti bei dem Preis auf Plastik zurückgreifen?), meinte ich auch eine leichte Gumminote zu riechen; die kam nicht von ungefähr, schließlich punktet dieser Füller damit, aus der Lava des Ätna gefertigt worden und in geheimer Rezeptur mit Kunstharz verschmolzen zu sein.
Visconti zielt dabei nicht etwa auf tolkiensche Assoziationen eines Mt Doom ab, sondern möchte sich an die Anfänge der Kultur begeben (nicht ganz so monolithisch weit wie in „2001: A space Odyseey“ – aber doch in diese Richtung), genauer der Schriftkultur. Dem Erscheinen des Homo Sapiens, das mit der Bronzezeit zusammenfällt – und da haben wir auch schon die Erklärung, wie Visconti angeblich auf den Materialmix von Lava-Kunstharz-Bronze gekommen ist.
Nun weiß ich wirklich nicht, ob es diese Erklärung ist, die das Material für mich so unwiderstehlich macht.
Übrigens, was den alten Lenovo angeht: Ich habe mich jetzt doch für den Hammer und den Elektroschrottplatz entschieden – der Kollege war im Urlaub!
Im Teil 2 erfahrt Ihr, was für ein Lebensgefühl dahinter steckt, mit Füller auf Papier zu schreiben! „Und zwar nur Gehaltvolles“, sagt Autorin Anne Henrich! In einer Woche geht es weiter. Bis nächsten Montag!