Wenn Smertsen, Sie sagen!

Haben Sie Rücken oder Schulter? Einfach mal spontan eine Thaimassage ausprobieren. Die gibt’s fast an jeder Ecke.

Von Gastautorin Christine Kordt, Köln.              Foto: Nour Kelze

Sogar der Taube ist der Eingang zum LinhLinh  nicht ganz geheuer. Zertretene Kippen quetschen sich zwischen den Fugen der silbrig schimmernden kleinen Pflastersteine, die den Gehweg der Kölner Severinstraße von dem düsteren Zugang zum Massagestudio trennen. Eine alte Frau im grünen Strickpulli schiebt mit ihrem Rollator vorbei. Sie scannt die Häuser mit einem Blick, als wolle sie sich vergewissern, ob noch alle Geschäfte der traditionsreichen Straße in der Kölner Südstadt geöffnet haben oder wieder eines dem Online-Handel oder Corona zum Opfer gefallen ist.

Der Name LinhLinh ist bei asiatischen Geschäften so originell wie bei Restaurants die Taverne Dionysos. Egal, ich bin kein Trendscout, sondern suche Erlösung für die verspannten Schultern.  „Entspannen – Genießen – Wohlfühlen“ klebt auf dem Schaufenster neben „Stopp! Maske tragen“. Wenn in der Pandemie sogar das Bordell wieder geöffnet ist, kann eine kleine Massage also nicht so riskant sein.

Dem süßen Schmerz hingeben

„Haben Sie Termin?“ Nein, aber um 11 Uhr morgens ist außer mir kein Kunde im schummerigen Laden. Drei asiatisch aussehende Frauen sitzen gelangweilt in der Sofaecke über ihre Handys gebeugt.

„Einmal Schulter-Nacken-Rückenmassage bitte“ sage ich zur Dame hinter der Plexiglasscheibe an der Theke. Meine Masseurin erhebt sich vom Sofa und zeigt den Weg. Ein Gerüst aus dunklen Holzbalken, braune Vorhänge und Paravents unterteilen das Geschäft in sechs Kabinen. Eine Fototapete zeigt die Halong-Bucht. Mit nacktem Oberkörper liege ich bäuchlings auf dem Massagebett und schmiege mein Gesicht in die Kopfaussparung der Liege. Der Blick fällt nach unten auf ein beiges Gästetuch. Warum liegt unter meinem Gesicht ein Handtuch? Besteht die Gefahr des Tropfens oder Übergebens? Und was wäre dann mit meiner Maske? Die Frau ohne Namen stellt sich ans Kopfende und schon gleiten ihre warmen öligen Hände über meinen Rücken.

„Wenn Smertsen, Sie sagen!“ Als ihre Finger kräftig die kleinen Muskeln im Nacken kneten weiß ich, was sie meint. Doch ich will sie nicht aufhalten und genieße den süßen Schmerz. Wo kommt sie her? Soll ich ihr von meinen Urlauben in Thailand erzählen? Wo Frauen den Strand abklappern und „Massaaasch, Massaaasch“ anbieten? Übers Wetter oder Corona reden? Ich widerstehe dem friseurtypischen Smalltalk-Zwang und gebe mich hin.

Kleine Auszeit für 25 Euro

Sie geht auf die Seite und widmet sich meinem rechten Arm. Streicht Vorder- und Rückseite aus und knetet eine Stelle am Unterarm, die den Mittelfinger zucken lässt. Sie zupft und zieht jeden einzelnen Finger lang. Dann die andere Seite. Das könnte ewig so weitergehen. Plötzlich ist ihre rechte Hand in meinem Haaransatz und knetet meinen Nacken zwischen ihren Daumen und Fingern. Mein Kehlkopf drückt sich in die Kante der Kopföffnung. Meine Augen sehen sehr breite Füße in schwarzen Socken. Im Takt ihrer Hände wippt sie von der Ferse auf die Spitze und zurück. Eine Asiatin mit Hallux Valgus? Scheinbar ein globales Frauenfußleiden, das ich nur zu gut kenne.

„Jetzt setzen“ haucht sie. Sie bohrt ihre spitzen Ellenbogen in empfindliche Punkte entlang der Wirbelsäule. „Druckpunktmassage sorgt für eine gute Durchblutung“ lese ich später im Internet. Nach 30 Minuten Streicheln, Drücken und Kneten muss ich leider zurück ins normale Leben.

25 Euro kostet die kleine Auszeit und die Frau an der Kasse drückt mir eine 10er-Rabattkarte in die Hand. Drei Porzellanschweinchen mit den Namen „Ta“, „Plos“ und „Op“ fordern Trinkgeld und so erfahre ich zum Schluss doch noch den Namen meiner Masseurin: „Frau Op“. Sie wird meine erste Wahl fürs nächste Mal.

Fotos (2): Christine Kordt
www.christineKordt.de

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Journalistin aus Leidenschaft, Tierschützerin mit Hingabe und neugierig auf das Leben. Ich stelle Fragen. Ich suche Antworten. Und ab und zu möchte ich die Welt ein Stückweit besser machen ... Manchmal gelingt es!
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