Ich habe Schwester Veronika Racková im Herbst 2013 besucht und sie bei ihrer Arbeit und auf den Fahrten zu ihren Patienten in die entlegensten Regionen des Landes begleitet. Geschätzt habe ich ihren Lebensmut und die Tatsache, dass ihre Nächstenliebe einfach grenzenlos war. Sie war optimistisch und lebensfroh, was sich gerade auch immer wieder in unseren langen Gesprächen herausstellte. Ihre Sicht auf die Dinge in dieser Welt, auf die Arbeit in einem Bürgerkriegsland, die ständige Lebensgefahr, in der sie schwebte, hat auch mein Denken verändert. Und für mich war es deshalb auch ein ganz besonderes Anliegen, diese Geschichte nun zu schreiben.
Seit Ende 2013 herrscht das totale Chaos im Südsudan. Auslöser war ein blutiger Machtkrieg zwischen Präsident Salva Kiir Mayardit und Riek Machar, südsudanesischer Rebellenchef und früherer Vizepräsident des Landes. Auch 12.500 Blauhelme der UNO können Gewalttaten und Terror nicht verhindern. Immer noch flüchten Hunderttausende in Auffanglager nach Äthiopien und mehr als 150 Menschen starben dort kürzlich bei einem Attentat durch südsudanesiche Rebellen.
Von Soldaten angeschossen
In diesem Umfeld von Gewalt und Anarchie arbeitete die Ordensfrau Veronika Racková als medizische Leiterin des St. Bakhita-Krankenhauses im Süden des Landes. Viele Jahre wurde sie von der DAHW Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe unterstützt. An Pfingsten wurde sie angeschossen und lebensgefährlich verletzt. Vergangenen Freitag erlag sie ihren schweren Schussverletzungen.
Nachdem die 58-Jährige in der Nacht auf Pfingstmontag eine schwerkranke Patientin mit einem Ambulanzwagen in ein Regierungskrankenhaus gebracht und dort erstversorgt hatte, wurde die Steyler Missionsschwester auf dem Rückweg unter noch ungeklärten Umständen von Soldaten angeschossen. Die Kugel durchschlug ihren Darm und ihren Hüftknochen. Helfer brachten sie in das Hospital, in das sie zuvor ihre Patientin eingeliefert hatte. Auch zwei Notoperationen konnten ihren Zustand nicht verbessern. Aufgrund der Schwere ihrer Verletzungen wurde sie noch am Pfingstmontag nach Kenia ausgeflogen und auf die Intensivstation eines Krankenhauses in Nairobi verlegt. Ihr Überlebenskampf endete dort schließlich nach vier Tagen.
Sudans Unabhängigkeitskriege dauerten fast 40 Jahre. Als eines der ersten Hilfswerke überhaupt arbeitet die DAHW seit dem ersten Krieg ab 1973 im Süden des Landes, dem heutigen unabhängigen Südsudan. Die Region war und ist bis heute ein Schwerpunkt der Lepra-Arbeit mit einer sehr hohen Zahl von Neuerkrankungen. Grund ist die kaum vorhandene medizinische Versorgung als Folge der langjährigen Bürgerkriege. Der zweite Unabhängigkeitskrieg von 1983 bis 2005 hat diese Arbeit immer wieder zurückgeworfen. Trotzdem hat das in Würzburg ansässige Hilfswerk die von Lepra betroffenen Menschen während der gesamten Kriegszeit unterstützt.
Der vorübergehende Frieden 2005 und die Unabhängigkeit 2011 brachten einen kleinen Aufschwung in der medizinischen Versorgung. Erstmals konnte die DAHW im gesamten Land den von Lepra betroffenen Menschen helfen.
Als erneute Konflikte Ende 2013 ausbrachen, fragte einer ihrer Mitarbeiter Schwester Veronika, warum sie denn überhaupt noch in dem Land bleiben wolle. „Ja, warum? Weil Jesus seinen Weg konsequent gegangen ist. Er hat nicht aufgegeben, als es schwierig wurde. Er hat Entbehrung und Leiden angenommen und sein Kreuz getragen, bis ans Ende. Er war dem Willen des Vaters gehorsam. Er bewegte sich ständig unter den Menschen und hat sie nicht abgewiesen. Er war sogar bereit, den Tod anzunehmen, denn er hat die Menschen geliebt – grenzen- und bedingungslos“, antwortete sie. „Als Jüngerin Jesu folge ich ihm in der Kraft des Heiligen Geistes. Ich kann die Menschen im Südsudan nicht verlassen, weil ich sie liebe.“
1987 legte die gebürtige Tschechin ihre ersten Gelübde in der Missionskongregation der Dienerinnen des Heiligen Geistes ab und machte ihre ewige Profess im Jahr 1994. Als Ärztin spezialisierte sie sich auf Tropenkrankheiten und arbeitete als Missionarin in Ghana. Von 2004 bis 2010 war sie die Leiterin der slowakischen Provinz. Nach ihrer Amtszeit erhielt sie im Jahr 2010 die Bestimmung für Yei im Süd Sudan und begann dort als Pionierin der Steyler Missionsschwestern.
Schwester Veronikás Tod ist ein weiterer Verlust auf dem Weg zu Frieden und Versöhnung im Südsudan.
Barbarisch und menschenverachtend
Stephen Lodu Onesimo, Informationsminister des Bundesstaates Yei, verurteilt die Tat als barbarisch und menschenverachtend. Drei Soldaten der Joint Operation Unit, die eigentlich Zivilisten bei Nacht schützen sollten, wurden verhaftet und unter Anklage gestellt.
Mittlerweile ist Rebellenführer Riek Machar erneut als zweiter Mann im Staat vereidigt worden. Dazu war er vor kurzem aus seinem zweijährigen Exil nach Juba, der Hauptstadt, zurückgekehrt. Somit hat Staatschef Kiir Mayardit seinen bisherigen Erzfeind, zum Vizepräsidenten ernannt. Die Frage stellt sich, ob es dabei um einen geplanten Schachzug geht oder um die im Rahmen eines Friedensabkommens angestrebte Teilung der Regierungsführung in dem krisengeschüttelten Land.

Unterwegs mit Schwester Veronika im Südsudan.
Fotos: Enric Boixadós
Mehr zu meiner Arbeit im Südsudan hier!
Bei Schwester Veronika im Südsudan hier!
Huffington Post vom 26. Mai 2016 hier!
Danke für diesen Artikel. Die Arbeit und der Glaube von Schwester Veroniká beeindrucken mich. Viele Grüße, Trina
Freut mich, Deine ehrlichen Worte. Danke, Trina.
…es ist traurig, immer trifft es die Besten! Die Welt hat eine helfende Hand weniger…. Gott möge Ihr all das was Sie gutes getan hat lohnen.
Lieben Gruß Lis
Danke für Deine Worte. Sie machen Mut.
Ich drücke kein „gefällt mir“ da es nichts zu gefallen gibt. Bewundernswerte Lebenseinstellung – da können sich viele aus der Komfortzone ein Beispiel daran nehmen (mich eingeschlossen)…
Es ist so traurig…
Liebe Grüße, Ralf.
Danke, Ralf.