Der abstrakte Lohengrin in der Elphi

Was will man mehr, wenn man in Hamburg zu Besuch ist? Für mich war es unter vielen anderen schönen Dingen der Besuch der Elbphilharmonie. Und diesmal auch ein Stück, das mich begeisterte. Sehr sogar! Familiär im Kleinen Saal aufgeführt faszinierte es durch die großartige Hauptakteurin Sarah Maria Sun und das kleine aber feine Orchester. Es ging um Lohengrin, diesmal aber ganz abstrakt. Nicht um den Lohengrin nach Richard Wagner, der sich seinerseits ja bei der mittelalterlichen Gralssage bediente, sondern um den nach Salvatore Sciarrino.

danieldittus-lohengrin-generalprobe-epks-180507-07 (Large)

Generalprobe des Lohengrin. Foto: Daniel Dittus

In Wagners Lohengrin geht es um die zu Unrecht des Brudermords beschuldigte Elsa von Brabant. Ihre Ehre wird von einem mysteriösen Ritter gerettet, der auf einem Boot erscheint, das von einem Schwan gezogen wird. Die beiden heiraten – unter der Bedingung, dass sie ihn nie nach seinem Namen und seiner Herkunft fragen darf. Als sie es doch tut, gibt er sich als Ritter vom Heiligen Gral zu erkennen und verlässt Elsa wieder, die daraufhin entseelt zu Boden sinkt.

danieldittus-lohengrin-generalprobe-epks-180507-27 (Large)

Sarah Maria Sun als Darstellerin der Elsa im Bann des mythischen Schwans. Foto: Daniel Dittus

Das Gedicht des Dichters Jules Laforgue, das Sciarrino als Vorlage für sein über 35 Jahre altes Werk nutzt, geht davon aus, dass Elsa nicht tot ist, sondern den Verstand verloren hat – und in der Rückschau über ihr Leben und die Begegnung mit dem Ritter sinniert. Dazu schuf Sciarrino eine Musik, die mit Wagner nichts mehr gemein hat, aber ein umso intensiveres psychologisches Porträt der gebrochenen Protagonistin zeichnet.

danieldittus-lohengrin-generalprobe-epks-180507-22 (Large)

Das kleine aber feine Orchester, hier das Österreichische Ensemble für neue Musik, spielt zu Sciarrinos Lohengrin. Foto: Daniel Dittus

Doch um was geht es überhaupt? Laforgue fasste seinen Text in zwei Kapitel an zwei Orten. Erster Ort: Am Meer. Elsa, noch nicht achtzehn, ist eine Vestalin, eine auf Jungfräulichkeit eingeschworene Priesterin der Mondgottheit. In einem Ritual bei Vollmond wird sie der „Unreinheit“ (des Techtelmechtels mit einem Mann) bezichtigt. Ein Ritter auf einem Schwan, von dem sie zuvor träumte, rettet sie vor der angedrohten Blendung, dem Verlust des Augenlichts.

danieldittus-lohengrin-generalprobe-epks-180507-43 (Large)

Die Tragödie um den Brudermord. Foto: Daniel Dittus

Zweiter Ort: Die Villa, die das Kultusministerium Lohengrin und Elsa für die Hochzeitsnacht zur Verfügung stellt, ein verwunschenes, leeres Gebäude. Doch aus der Liebe wird nichts, wohl nicht nur wegen ihrer „mageren Hüften“, die er verabscheut. Am Ende verwandelt sich das Federkissen in das mythische Federvieh, das sinnliche Erotik und Tod symbolisiert, und trägt den Märchenprinzen aus dem Gralsland in die Lüfte davon. Spätestens hier zeigt sich, dass dieser Lohengrin ein Seelendrama ist.

danieldittus-lohengrin-generalprobe-epks-180507-41 (Large)

Lohengrin im Kleinen Saal der Elphi. Eine Tragödie, die mitreißt. Foto: Daniel Dittus

„In meinem Lohengrin entspringt die gesamte Handlung dem Mund der Protagonistin. Der Mund ist ein Zentrum, in dem sich die Realität bündelt und woraus sie ausstrahlt. Wir brauchen nicht mehr zu sehen, sondern nur zu hören“, sagt Sciarrino.

Weitere Aufführungen in der Elbphilharmonie hier!

 

 

 

 

Über sl4lifestyle

Journalistin aus Leidenschaft, Tierschützerin mit Hingabe und neugierig auf das Leben. Ich stelle Fragen. Ich suche Antworten. Und ab und zu möchte ich die Welt ein Stückweit besser machen ... Manchmal gelingt es!
Dieser Beitrag wurde unter Musik abgelegt und mit , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s