„Ehe es wieder nach New York gehen sollte, waren sie noch einmal nach Wien gefahren. Auch die Stadt war nicht mehr dieselbe. Er stand unter den Fenstern seiner alten Wohnung und versuchte sich vorzustellen, wie sie gelebt hatten. Er dachte an das Badezimmer mit den gekachelten Wänden und den vernickelten Armaturen über der Wanne. Im Winter pflegte Alma jeden Tag zu baden. Das halbe Hofoperngehalt ging für das Warmwasser dahin.“
126 Seiten, ein kurzes Buch, genau richtig für ein paar Stunden Bahnfahrt. Mir wurden schon einige Werke von Robert Seethaler empfohlen, zum Beispiel „Der Traffikant“, den ich mir kürzlich im Fernsehen anguckte. Ich hatte Lust auf mehr, und im Buchladen fiel mir sein „Der letzte Satz“ in die Hände. Über den Komponisten Gustav Mahler, seine Sehnsüchte, seine Liebe und sein Leben. Und über den nahenden Tod, der kommt, kommen muss.
Es ist ein Porträt seiner letzten Reise. An Deck eines Schiffes auf dem Weg von New York nach Europa sitzt er auf dem Oberdeck, sinniert über die Tragödien und Leidenschaften seines Daseins. Gustav Mahler, dieser größte Musiker der Welt, sitzt zusammengesunken da, sein Körper schmerzt, wie er schon immer schmerzte.
Der Schiffsjunge versorgt den Herrn Direktor sanft, aber resolut, seine Frau und große Liebe Alma sitzt beim Frühstück, unten, gemeinsam mit der kleinen Tochter Anna. Er denkt an sein anderes Kind, Maria, das von ihnen gegangen ist, vor ein paar Jahren. Doch was ist Zeit und Raum im Angesicht des Todes und im Angesicht dieser letzten Reise?
Mahler ist müde, von der Krankheit, die ihn zeichnet und von der nicht mehr erwiderten Liebe zu Alma. Denn sie hat er auch verloren.
Später wird der Schiffsjunge es zufällig aus der Zeitung erfahren, dass der einst auf Deck Umsorgte es nur noch ein paar Monate ausgehalten hat, wie er es ja schon längst auch gesagt hatte: „Ich muss sterben.“
Ein dichtes Buch, gut zu lesen, wenn man ein paar Stunden hat, vom Anfang bis zum Ende.
Robert Seethaler: Der letzte Satz, 126 Seiten, 19 Euro. Auch als E-Book erhältlich (14,99 Euro) und als Hörbuch (CD, 21,99 Euro)
Liebe Sabine, jetzt weiß ich was ich auf meiner nächsten Reise lesen werde 🙂